Frau mit Rucksack auf Wanderschaft

Wie geht das? Stress abbauen und Ressourcen stärken

Stress abbauen, in der eigenen Balance bleiben. Viele Menschen, die mit dem Achtsamkeitstraining beginnen, wünschen sich das. Denn Achtsamkeit hilft, in stressigen Momenten innezuhalten, sich zu zentrieren und dabei den Körper bewusst wahrzunehmen: das Herzklopfen, die verspannten Schultern, die flache Atmung. Indem wir uns beobachten statt impulsiv zu reagieren, gewinnen wir Abstand zur Situation – und genau darin liegt die Kraft.

Hinein in die Perspektive des Beobachters

Ob wir nun auf dem Meditationskissen sitzen oder im Alltag in eine stressvolle Situation geraten, letztlich trainieren wir unseren achtsamen Umgang mit Stress stets auf die gleiche Weise: Wir zentrieren uns – Augenblick für Augenblick – über die bewusst gespürte Atmung im Körper. Wenn eine Stressreaktion einsetzt, wozu ein einzelner Gedanke genügen kann, richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die Körperbereiche, die unter ihrem Einfluss spürbar werden: die fest aufeinander gepressten Kiefer, die angespannten Schultern, das Herzklopfen bis zum Hals, die in Falten gelegte Stirn oder das flaue Gefühl in der Magengegend. Welche Gefühle machen sich bemerkbar? Wo sind sie im Körper lokalisierbar, spürbar? Welche Gedanken steigen auf? Wonach streben sie? Verteidigen, streiten, sich empören, recht haben, den anderen klein machen, vernichten wollen? Oder verspüren wir den Impuls, beschwichtigen zu müssen, nach Schutz zu suchen, Zusagen zu machen, die ganze Szenerie so schnell wie möglich hinter sich zu lassen?

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Mit Achtsamkeit, die uns so etwas wie einen geschützten Zwischenraum verschafft – indem wir uns auf uns selbst zurückziehen können und Abstand zum äußeren wie auch inneren Geschehen gewinnen – lässt sich all das beobachten und als typische Stressreaktion benennen. Im Beobachten oder auch in der Perspektive des Beobachters liegt der Schlüssel. Das macht Mut, den wir uns zudem selbst zusprechen können: „Atmen, immer weiter atmen, das hier ist Stress, so zeigt sich ganz normaler Stress. Ich spüre dies und jenes hier und da in meinem Körper. Ich atme.“

Neuen Spielraum gewinnen und Stress abbauen

Setzt Achtsamkeit rechtzeitig ein, bevor die Stresslawine in Schwung geraten ist, können wir typische Stressreaktionen abfangen, ihr den Wind aus den Segeln nehmen, und sie für uns verwandeln. Wer das einmal erlebt hat, fühlt sich für die weitere Praxis enorm ermutigt. Es stellt sich Entspannung ein, neue Selbstsicherheit und die Kompetenz, auch nach herausfordernden Situationen schneller ins eigene Gleichgewicht und in die Geistesruhe zu finden.

„Beim Erlernen des achtsamen Umgangs mit inneren und äußeren Stressfaktoren geht es nicht darum, nie wieder impulsiv zu reagieren oder seine Emotionen zu unterdrücken“, fasst Jon Kabat-Zinn, der Begründer des MBSR-Stressreduktionsprogramms in seinem Bestseller Gesund durch Meditation (2013, O. W. Bath Verlag), zusammen. „Es wird auch weiterhin Momente des Zorns, der Angst und des Kummers geben. Der springende Punkt ist zu lernen, wie man mit seinen emotionalen und körperlichen Reaktionen arbeitet, damit sie weniger Macht über uns haben und uns so mehr Spielraum für klare und effektive Handlungsentscheidungen lassen.“

Kreative Mitarbeiter für einer Glaswand
Bewusst Stressresistenz stärken

Wir können zudem unsere Stressresistenz stärken, in dem wir in ruhigen Zeiten, Tagen oder Stunden, unsere Ressourcen ganz bewusst pflegen und ausbauen. Dazu gehört neben regelmäßiger Meditation körperliche Bewegung, ausreichend Schlaf und das Zusammensein mit Menschen, die uns am Herzen liegen. Stressresistente Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie in vergleichbaren Lebenssituationen über mehr Ressourcen verfügen, mit denen sie Stress aktiv begegnen können. Außerdem verfügen sie über einen Sinn für einen größeren Zusammenhang und sehen in ihrem Leben eine grundsätzlich positive, wenn auch durchaus herausfordernde Kraft.

Als ungemein stärkend für die inneren Ressourcen hat sich erwiesen, den eigenen Blick für die vielen, oft kleinen positiven Erlebnisse während eines Tages zu schärfen oder sich diese am Abend noch einmal dankbar in Erinnerung zu rufen. „Selbst wenn uns in einer extrem stressbetonten Situation keinerlei äußerer Spielraum mehr bleibt, um noch sinnvoll zu handeln, verfügen wir doch über immense innere Ressourcen“, so Kabat-Zinn. „Diese geben uns das Gefühl der aktiven Bewältigung der Situation und damit einer gewissen Kontrolle und bewahren uns davor, uns hilflos und ausgeliefert zu fühlen.“

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Allein das Wissen darum, Einfluss nehmen zu können, gilt als wesentlicher Faktor für Stressresistenz. Verschiedene Studien haben zudem verdeutlich, dass insbesondere bei psychologischem Stress weniger der äußere Stressor entscheidend ist, sondern wie der Einzelne die Belastung wahrnimmt und für sich interpretiert. Gebetsmühlenartig wiederholte Gedanken oder Sätze wie „Es ist einfach zu viel … ich schaffe das nicht … ich muss noch“ sind ebenso gesundheitsgefährlich wie „Ich bin verantwortlich … ohne mich läuft hier nichts … ich bin verantwortlich“.

Die gute Nachricht darin: Wir sind äußeren Stressoren, die unvermeidlich zum Leben dazugehören, nicht ausgeliefert. Wir können ihnen begegnen und ihnen gegenüber eine achtsame, eine selbstbestimmte Haltung entwickeln. Frei nach dem Motto: Die Wellen des Lebens hören nicht auf, lasst uns surfen lernen.