Seniorin sitzt in ihrem Wohnzimmer auf dem Boden und meditiert

Meditation

Wieso meditieren Menschen?

Die Welt der Meditation ist eine große. Und eine alte. In allen Weltreligionen – und das ist doch schon einmal bemerkenswert – zeigen sich Formen der Geistesschulung, der Selbsterforschung und der bewussten Einkehr bei sich selbst. Menschen, die meditieren, suchen seit Tausenden von Jahren nach Klarheit, Konzentration, Ruhe und Gelassenheit. Nach geistiger Frische, Sammlung, Kraft, Wohlbefinden. Aber auch nach Erkenntnis, Transzendenz und Verbundenheit mit etwas, das die eigene Existenz übersteigt. Der Weg der Meditation, der früher nur im eng begrenzten klösterlichen Raum denkbar war, hat sich spätestens mit der Achtsamkeitsbewegung in die Breite geöffnet.

Ein weites Feld: Meditation

Wer meditiert, der sammelt seinen zerstreuten Geist. Er kultiviert sein Bewusstsein – so wie ein Gärtner -, damit das Leben darauf gedeihen kann. Um dies zu tun, bietet sich ihm ein weites Feld von Möglichkeiten: 309 Meditationstechniken aus den unterschiedlichsten Weisheitstraditionen zählte beispielsweise ein Forscherteam der Universität Chemnitz für eine empirische, 2019 publizierte Studie.

Bei den allermeisten, so lässt sich zusammenfassend sagen, richtet der Meditierende seine Aufmerksamkeit auf einen Fokus, auf ein Objekt aus. Zu ihm kommt er jedes Mal zurück, wenn ihn aufkommende Gedanken, Gefühle, Stimmungen oder auch Körperempfindungen davonschwemmen. Der Fokuspunkt bildet einen beständigen Anker – und auch einen guten Ausgangspunkt, um sich im weiten Feld der Meditationstechniken nachfolgend genauer umzusehen.

Mann mittleren Alters meditiert draußen mit geschlossenen Augen

Ein Fokuspunkt, auf den sich der Meditierende konzentriert, kann beispielsweise visueller Natur sein: die Flamme einer Kerze oder eine Statue, die betrachtet wird. Die Aufmerksamkeit kann sich aber auch auf einen Klang richten: auf ein fortwährend rezitiertes yogisches Mantra, ein rätselhaftes Koan, auf ein Rosenkranz-Gebet oder auch auf das zarte Plätschern eines Bachs. Ebenso lässt sich auf das Gegenteil lauschen, auf die allumfassende Stille (der christlichen Mystik) oder das Nichts (des Zen-Buddhismus).

Auch ein Körperbereich, man denke an das in der Stirn befindliche Dritte Auge der Hindus, könnte einen Ankerplatz bieten. Ebenso eine bewusst ausgeführte Bewegung, wie sie im Kinhin, der achtsamen Gehmeditation, im Qi Gong oder im Hatha-Yoga vollzogen wird. Bei anderen Meditationsformen steht eine Qualität oder eine Tugend im Zentrum; in der buddhistischen Vipassana-Meditation etwa die Liebende Güte. Bei wieder anderen sammelt sich der Geist in einem rätselhaften Koan oder in kontemplativer Einsicht.

Den Fokuspunkt schlechthin bildet jedoch der eigene Atem. Die Atemmeditation ist quasi der Klassiker unter allen denkbaren Meditationstechniken. Über sie findet der Meditierende in das Hier, den atembewegten Körper, und das Jetzt, den gegenwärtigen Augenblick. An diesem Kreuzpunkt, dem Hier und Jetzt, erfährt sich das Leben selbst. Es ist zauberhaft, wenn dies geschieht. Von nun an tritt die Technik in den Hintergrund. Denn hat sich pure Geistesgegenwart eingestellt, vermag sich das Bewusstsein weiter zu öffnen: in den Seinszustand des offenen Gewahrseins. Frieden, Heimat, Liebe, Freude, Einheit, offene Weite und immer wieder Stille – das sind die Begriffe, die Meditierende für die tiefen Erfahrungen, die sie im Gewahrsein machen, finden. Je nach Kulturraum, Religion oder individueller Spiritualität ergänzen weitere Worte und Namen.

Eine langhaarige Frau in Gebetshaltung

Mentale Hygiene oder doch Spiritualität?

Für manch einen ist Meditation so etwas wie die tägliche mentale Hygiene. Und damit ist schon viel gewonnen. Denn bei Licht betrachtet, läuft sehr vieles in unserem Denken, Empfinden und Verhalten wenig bewusst und eher automatisiert ab.

Hinzu wirkt auf uns eine enorme Fremdbestimmung: Viele von uns leben in einer überreizten Umgebung, fortwährend beeinflusst durch die – digital transportierten – Interessen anderer, die unsere Aufmerksamkeit zu fesseln suchen. Die höchst eigene Aufmerksamkeit selbstbestimmt auszurichten (dies überhaupt zu vermögen) und sich neu auszuloten, erscheint vor diesem Hintergrund als etwas Zeitgemäßes, Gesundes, geradezu Notwendiges. Vielleicht sogar als ein Akt der ganz persönlichen Revolution. Das Fachwort hierfür heißt Selbstregulierung.

So gesehen hat Meditation viel mit Lebensführung und auch mit Lebenshaltung zu tun. Es geht um nicht weniger als um Freiheit und Selbstbestimmung. Darüber hinaus beinhaltet sie aber auch eine spirituelle Dimension, die sich nicht nur historisch erklären lässt. Spiritualität gewinnt mit zunehmender Tiefe, die in der meditativen Selbsterforschung erlangt wird, ihren ganz eigenen Raum. Ein Zitat, das dem Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg zugesprochen wird, bringt es auf den Punkt: „Der erste Schluck aus dem Becher der Naturwissenschaft macht dich zum Atheisten. Aber wenn du auf dem Grund des Bechers angekommen bist, erkennst du Gott.“

Die Spiritualität, die einem in der Selbsterforschung begegnen kann, wird als etwas ausgesprochen Persönliches und Erfahrungsbezogenes erlebt und findet darin auch ihre definierte Abgrenzung zur eher institutionell und theologisch geprägten Religiosität. Spiritualität kann sich sehr wohl in einer Kirche ereignen, aber eben auch auf einer Waldlichtung oder in der Begegnung mit Schönheit – etwa in der Musik. Letzten Endes geht es um das ganz persönliche Erleben von Verbundenheit, von Heimat in der Welt, vielleicht von Einheit. Die Meditation, das Stille werden, öffnet hierfür den Raum.

Häufige Fragen zum Beginn

Wie lange und wie oft man meditieren?

Die formale Meditationspraxis kann mit zehn Minuten beginnen und sich dann langsam steigern. Viele Menschen finden zu einer Meditationsroutine von 30 Minuten. Sie sitzen häufig in den Morgenstunden, wenn der Geist noch klar ist, oder am Abend, wenn das Leben wieder zur Ruhe kommt. Da es sich um ein Geistestraining handelt, sollte es regelmäßig, also täglich oder mehrmals in der Woche stattfinden. So wie jedes andere Training auch.

Ist ein Meditationssitz mit überkreuzten Beinen notwendig?

Bilder von Meditierenden zeigen sie meist in stiller Sitzmeditation. Aber weder der Schneidersitz noch der Lotussitz, bei denen man mit überkreuzten Beinen am Boden sitzt, bilden eine notwendige Voraussetzung für die innere Einkehr. Der sogenannte Fersensitz funktioniert beispielsweise auch gut. Worauf es am Ende ankommt, ist allein, dass der Meditierende auf seine Weise wach und entspannt da sein kann – ohne dass sein Körper leidet.

In der Sitzmeditation (also einer von vielen, ganz unterschiedlichen Meditationsformen) kann ein Kissen in beliebiger Höhe als Unterlage dienen oder auch ein Meditationsbänkchen. Ein stabiler Bodenkontakt macht durchaus Sinn, ein Rückgrat in freier Aufrichtung auch. Wer, weil Knie, Rücken oder Hüften schmerzen, aber besser auf einem Hocker oder auch auf einem Stuhl mit Lehne sitzt, sollte dem unbedingt nachkommen. Meditation ist ein Geistestraining, sie richtet sich deshalb aber nicht gegen den Körper. Wenn er sich sicher getragen fühlt, hilft das vielmehr dem Geist, sich zu öffnen und loszulassen. Die hierzulande am häufigsten praktizierte Meditationsform, der Body-Scan, findet nicht ohne Grund im entspannten Liegen statt.

Funktioniert Meditation auch online und per App?

Geführte Meditationen, die als Audio-Track gehört und daheim praktiziert werden, können ausgesprochen wertvoll sein. Das gilt auch für Online-Treffen, bei denen zu einer verabredeten Zeit gemeinsam mit anderen meditiert wird. Die Digitalisierung hat also gewiss dazu beigetragen – und tut dies weiterhin -, dass in der Breite immer mehr Menschen meditieren und ihnen dies in sachkundig angeleiteter Form überhaupt möglich ist.

Welche Vorteile bietet ein Meditationskurs in Präsenz?

Tauchen schwierige Erfahrungen oder Hindernisse während der Meditation auf – und aller Voraussicht nach wird dem so sein -, kann ein persönlich präsenter Lehrer sie wahrnehmen, aktiv das Gespräch suchen und ein wertvoller Ratgeber sein. Wer mit herausfordernden Gedankenkonstruktionen, kaum auszuhaltender Unruhe oder starken Emotionen wie Wut oder Trauer zu kämpfen hat, braucht ein Gegenüber aus Fleisch und Blut. Selbst wer einfach nur falsch sitzt, braucht Hilfe, denn er demoliert gerade seinen Körper und seine Motivation.

Schaut man sich vergleichende Studien an, wirken Apps deutlich weniger stark als die Meditation in einer angeleiteten Gruppe. Der große Unterschied scheint im besagten Kontakt zum Lehrer zu liegen, aber auch in dem zu Gleichgesinnten. In der Meditation geht es immerhin um Präsenz und Gegenwärtigkeit, diese beiden Begriffe darf man sich ruhig auf der Zunge zergehen lassen. Digitale Formen haben fraglos ihre Berechtigung, was die Welt der Pixel aber nicht bieten kann, ist so etwas wie Leibhaftigkeit. Menschen brauchen Menschen, die sich mit allen Sinnen erleben lassen. Isolation und Einsamkeit zählen zu den drängenden Themen unserer Zeit, denn sie machen nachweislich krank. Jeder ist deshalb aufgerufen, bewusst für sich zu sorgen und sich gezielt Gruppenerlebnisse in den Kalender zu schreiben. Ein Meditationskurs wirkt also doppelt gut.

Empfehlung zum Abschluss: Audio-Tracks mit geführten Meditationen bieten eine erfrischende Ergänzung für die Meditationspraxis daheim. Für den ersten Wochen des Anfängers ist aber ein analoger Kurs anzuraten. Der Holzweg ist erfahrungsgemäß schneller gefunden als gedacht. Ein abklärendes Gespräch und Gruppentermine sind deshalb auch länger Meditierenden von Zeit zu Zeit anzuraten.

Gibt es auch Menschen, die besser nicht meditieren?

Das Bild von einem Baum beantwortet diese Frage am besten: Ein Baum kann nur dann eine schöne, lichte Krone entwickeln, wenn er fest in der Erde wurzelt. So ähnlich verhält es sich auch mit der Meditation. Wer bedingt durch eine Krankheit, einen Schicksalsschlag oder eine Lebenskrise in seinem Selbst erschüttert ist, keinen rechten Halt im Leben findet, sollte erst einmal Stabilität zurückgewinnen und dann mit dem Meditieren beginnen.

Bei psychologischen Erkrankungen, die das Selbst zum Teil erheblich beeinträchtigen, muss noch genauer hingeschaut werden. Meditation kann eine psychotherapeutische Behandlung durchaus positiv begleiten, der Meditationslehrer sollte aber im Kontakt mit dem behandelnden Arzt stehen dürfen oder selbst die entsprechende Expertise mitbringen. Der Einzelfall entscheidet.

Bereit für die eigene Erfahrung?


Meditation findet überall sein Plätzchen